Mein erste Rezension und gleich ein Verriss.
Es muss schon gute Gründe und hinreichende Empfehlungen geben, damit ich mir eine Serie antue, die über mehr als 26 Folgen geht. Das war hier so nicht der Fall. Neugierig gemacht hat mich eine Erwähnung in einem englischsprachigen Forum. Dazu kam, dass es sich um eine Serie im Rahmen des World Masterpiece Theater handelte, die zudem nicht ganz einfach aufzutreiben war.
Das folgende ist sehr subjektiv gehalten, jedoch nicht ohne objektive Kriterien anzuführen. Und es wird längst nicht auf alle Aspekte eingegangen, das wird sonst schlicht zu lang...Natürlich sind die Ansprüche an solch eine Serie nicht die gleichen wie bei einem Ghibli-Film; man kann nicht über die Länge von 50 Folgen durchgehend hohe Animationsqualität erwarten oder ein in allen Belangen ausgefeiltes Drehbuch.Was "Porphy" zu bieten hat, war dann allerdings weit unter den eh schon niedrig gesteckten Erwartungen.Erster EindruckMan muss in der Tat zweimal hinschauen: die Serie stammt aus dem Jahr 2008. Denn das, was man visuell geboten bekommt, liegt noch deutlich unterhalb klassischer WMT-Qualität der 80er Jahre - das hier ist tiefste 70er Jahre. Die Figuren sind flach und wenig detailreich; die Animationen von Bewegungsabläufen eher staksig; Dialogszenen sind oft von unmotivierten Pausen durchzogen, als warte jemand auf den Souffleur.
Die Schlichtheit in der Gestaltung der Figuren zeigt sich bspw. an den Kleidungsstücken: innerhalb einer dicken Outline wird
ein Farbton gegossen - von Schattierung, Kontur, Textur oder irgendwas, was den Anschein dreidimensionaler Struktur erwecken könnte, keine Spur.
Die BGM ist (vorsichtig formuliert) eigentümlich. Überhaupt hat man bei der
Musik etwa ein gutes halbes Dutzend Stücke, die wenig einfallsreich wirken, was mit gesucht originellen Wendungen und Intrumentaleffekten auch nicht wettgemacht wird. Die Zuordnung Szene - Musik wirkt oftmals ziemlich willkürlich. So wird einmal beim Eintreten in das feierliche Halbdunkel einer orthodoxen Kirche ein leicht nerviges Happy-go-lucky-Musikstück gewählt, was nicht mal unfreiwillig komisch wirkt, sondern einfach nur daneben ist.
Zu den
CharakterenWas mir aber besonders gegen den Strich ging, waren die Charaktere selbst. Die Protagonisten pflegen häufig ein ausgeprägt idiotisches Verhalten, was dann auch recht gut mit der hölzernen Dialogführung harmoniert, die noch einen Zacken kantiger und gekünstelter daherkommt, als man es von anderen Anime eh schon gewohnt ist...
Porphy selbst ist ein Holzkopf, wie ihn die Welt nur selten gesehen hat (
Kouhei in
Shouwa Monogatari z.B.). Im wesentlichen vorlaut, oft besserwisserisch und egozentrisch, bei weitgehender Lernresistenz - von seinen handwerklichen Fähigkeiten mal abgesehen. Da wundert sich das Früchtchen bspw., dass beschäftigte Erwachsene leicht unwirsch reagieren, wenn sie schräg von der Seite mit "nee..." angesprochen werden - obgleich Porphy schon so langsam was über Umgangsformen erfahren haben müsste, speziell von Leuten, die ihm wohlgesinnt sind und sich auch entsprechend höflich ihm gegenüber aufführen.
Und aus eben genau diesem Grund (erwiesene Lernresistenz) gerät Porphy immer wieder in Schwierigkeiten, vermeidbare Schwierigkeiten, wie etwa in der Szene, als er auf dem Markt
einem Händler das Foto seiner Schwester unter die Nase hält ("nee... NEE...!"), und selbst nach dreimaliger Aufforderung, hier nicht im Wege rumzustehen, einigermaßen renitent bleibt, selbst nach der erhaltenen Auskunft "nie gesehen". Woraufhin der genervte Händler das Foto packt und in Stücke reißt.
Nicht gerade nett, aber auch nicht völlig unverständlich.
Oder Episode 8: Porphy hat spitzgekriegt, dass
Nägel Autoreifen kaputtmachen können, weswegen die Fahrer dann zu seinem Vater kommen, um das reparieren zu lassen. Also beschließt er, auf dem Markt eine Packung Nägel zu kaufen und diese zu nachtschlafender Zeit auf der Straße zu verteilen, um so der väterlichen Werkstatt zu etwas mehr Umsatz zu verhelfen.
Und hier kommt die gnadenlose Pädagogik der Regie ins Spiel: Porphy kommt mit dem Kauf nach Hause und benimmt sich zunächst mal auffällig unauffällig, so dass eigentlich jeder merken muss, dass da was im Busch ist.
Dann plaziert er sein Päckchen in seiner Dachkammer auf einem Stuhl (ein besseres Versteck ist ihm nicht eingefallen?). Und als es dunkel geworden ist und alle schlafen, schleicht er sich hinaus, verteilt die Nägel auf der Straße, bekommt aber Muffensausen oder Gewissensbisse (so genau weiß man das nicht) und sammelt sie wieder ein. Ein Auto nähert sich derweil (von weitem sicht- und hörbar), unser Held jedoch ist so paralysiert, dass er sich anfahren läßt. Verarztet und wieder zu Hause, fliegt die ganze Geschichte auf, Porphy gibt sich geläutert, die Kleinen vor dem Bildschirm haben auch wieder was gelernt, und alles ist gut.
Ehrlich, man greift sich nur noch ans Hirn. Immer wieder.
Seine Schwester
Mina ist in dieser Hinsicht vor allem deswegen erträglicher, weil sie eher selten den Mund aufmacht. Aber allgemein ist sie auch nicht eben die Hellste.
Was sonst noch auffällt:
Die MC rennen immer im gleichen Outfit rum. Ich vermute mal, man will damit nicht so sehr den Wiedererkennungswert steigern, sondern eher Produktionszeit und -kosten sparen. Dass bei einer solchen Irrfahrt der beiden Geschwister auf Wechselwäsche verzichtet wird, scheint plausibel; dass aber daheim in der Familie die Leute monatelang täglich in den gleichen Klamotten rumlaufen, mutet doch etwas seltsam an.
Aber immerhin, der unbedarfte Zuschauer kann so einiges lernen (Achtung, pägagogischer Impetus!):
-überall in Europa spricht man Japanisch
-behördliche Formalitäten sind inexistent
-einiges über die damaligen Umstände der süditalienischen Stadt Matera
-Mafiosi schreiben Namen in riesiger krakeliger Schrift in ihre Notizbücher (pro Zeile 1 Name), um sie später desto theatralischer durchstreichen zu können
-nimmt man in Savoyen einen ganz bestimmten Pass rüber in die Provence, gelangt man ohne weitere Umstände einen Tag später nach Paris.
Wo bleibt das Positive?
Welche guten Haare kann man denn an dem Anime lassen, fragt sich jetzt wohl der eine oder die andere. Nun, im wesentlichen drei:
Eben der letzte Paris-Arc zum Beispiel. Dass die Story nicht Knall auf Fall endet, sondern dieses Ende mählich aufgebaut wird, wechselseitig aus zwei Erzählperspektiven. Also ähnlich wie bei der
kleinen Prinzessin Sara.
Desweiteren, dass man es hin & wieder schafft, die Erwartungshaltung des Zuschauers zu enttäuschen: Einige Items
(Uhr, Eule, Foto)
begleiten die beiden auf ihrer Reise. Diese gehen im Laufe der Ereignisse verloren (teils aufgrund besagten idiotischen Fehlverhaltens),
und bleiben dann auch verloren.
Dafür gibt's einen halben Stern.
Und zu guter letzt die Hintergründe, die Szenerie, die Landschaften, die wirklich beeindruckend gut geraten sind. Es war immer eine Freude, in die kargen, weiten mediterranen Landschaften einzutauchen, die es immer auch schaffen, ein Gefühl von Heimat zu vermitteln. Wer schon mal im Westen Griechenlands war, weiß vielleicht, was ich meine. Auch dafür einen Stern.
Fazit & Tip:
Wer Wert legt auf so Sachen wie Kohärenz und Logik und widerspruchsfreie Handlungsweisen: am besten halb besoffen schauen, wenn man vereinzelte Teile von Plot, Dialogen und anderen tragenden Handlungselementen nicht mehr so richtig mitkriegt.
Ansonsten: meiden.
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