Zur Story selbst kann ich nicht mehr erzählen, als es der Klappentext ohnehin schon tut. Da ich vielleicht zu viel verraten würde, aber auch ist hier nicht die Geschichte, die Logik oder Taktik der Charaktere wichtig, sondern eher die Atmosphäre, der Eindruck oder "the heart". Dieser Manga sollte in erster Linie gefühlt und nicht analysiert werden. Denn bei der Suche nach sich selbst spielt gerade die Wahrnehmung der eigenen Gefühle eine große Rolle.
Doch abgesehen von der Story sollten die einzelnen Charaktere herausgestellt werden. Selten sind mir solch realistische Charaktere begegnet. Ich muss zwar Abstriche in Hinsicht auf die überzeichneten Emotionen und Gedankengänge der Protagonisten und auch der (ich nenne sie mal) "von ihrer Last befreiten Personen" machen, jedoch kann ich keinen dieser Charaktere als Schablone bezeichnen. Mir persönlich fällt kein Manga oder Anime ein, der eine so detailgetreue Reflexion der menschlichen Psyche aufzeigt. Insbesondere war Ito für mich ein Highlight dieses Manga, der nicht nur der Kopf der gesamten "Operation" war, sondern auch immer wieder interessante, wenn auch diskutable Interpretationen in den Raum warf. Ebenso machte dieses Werk seine Botschaft erschreckend deutlich. Die omnipräsente Mystery war m.E. ein wunderbares Mittel zur Vermittlung der Gedanken des Autors.
Ebenfalls sei herauszustellen, dass in Homunculus eine Unmenge an interessanten Ansätzen und Hypothesen aufgestellt werden. Für mich waren zwar die Gedanken bezüglich der Gesellschaft interessanter als die Psychoanalyse einzelner Menschen, aber beide Aspekte sind sehr gut ausgeprägt. Dabei kann man mit den Theorien einverstanden sein oder sie komplett und rigoros ablehnen, doch verleiten sie unweigerlich dazu sich mit der Materie zu beschäftigen, darüber nachzudenken, und die eigentliche Nachricht hinter den teilweise verschachtelten und undurchsichtigen Dialogen des Autors ausfindig zu machen. Auch, glaube ich, ist es das erste Mal, dass ich einen Manga las, der die Kritik an der Gesellschaft nicht als Mittel zum Zweck verwendete, sondern sie als Ziel auserkoren hatte. Dass es eine ungeheuer schwere Aufgabe ist parallel dazu den Manga interessant zu halten, und nicht in eine vollkommene psychologische oder sozialwissenschaftliche Darstellung zu driften, sollte wohl klar sein. Zwar gelingt es Yamamoto nicht immer eine entsprechend weite Distanz zu den erwähnten Fachbereich aufrechtzuerhalten, allerdings stört dies nicht, und ist auch einer der Aspekte des Manga, die ihn so außergewöhnlich machen.
Was bleibt zum Schluss noch zu sagen? Er ist genial, dieser kontroverse, perverse, undurchsichtige, intelligente und gleichzeitig traurige Manga.
Ich habe jede Seite genossen, werde ihn aber sicher kein zweites Mal lesen, was nicht daran liegt, dass er beim zweiten Mal langweilig wäre - denn man würde jedes Mal neue Details wahrnehmen, und sich immer wieder neue Fragen stellen -, sondern daran, dass es tatsächlich nicht einfach ist solch einen (kognitiv) anstrengenden Manga immer wieder zu lesen.
Jedoch wird er mir stets in Erinnerung bleiben, als ein Meisterstück, eines welches sich für mich (bis jetzt) mit keinem anderen vergleichen lässt. Auch weil ich persönlich das Ende des Manga hervorragend fand, und somit einen gelungenen Abschluss für mich selber erreichen konnte, was äußerst selten der Fall ist.
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