Spielen wir ein kleines Spiel: Ihr seht einen Anime, der interessant klingt und der ein ebenso interessantes Cover hat, auf eurer Streaming-Seite aber eine Bewertung von 4/10 hat - was macht ihr?
Die meisten werden jetzt mit "wegklicken" antworten, habe ich recht? Doch die richtige Antwort lautet eigentlich "reingucken und einfach mal ausprobieren"!!
zur Handlung
Himitsu ist ein Krimi, schlicht und einfach. Da wird nicht groß rumgeschossen, Autos explodieren oder Stadtteile liegen in Trümmern. Himitsu ist ein trockener, anspruchsvoller Krimi. Und wäre er nur das, würde ich die Bewertung von 4/10 verstehen und vermutlich ähnlich bewerten, falls ich ihn dann überhaupt angeschaut hätte.
Was Himitsu jetzt aber von allen anderen Krimis abhebt, ist die Story als solche: das menschliche Gehirn wird angezapft, Emotionen und Gesehenes als Bilder sichtbar gemacht, und der absolut letzte Moment eines Menschen wird transparent.
Das Thema ist anspruchsvoll und bietet eine gute Vorlage für eine ethische Diskussion. Die Würde des Menschen ist unantastbar, soll ich mir jedoch die Chance entgehen lassen, einen Mord aufzuklären? Es gibt den absolut perfekten Einblick in die menschliche Psyche, verkrafte ich jedoch eben diesen ungefilterten Eindruck? Fragen über Fragen, die der Anime gut aufgreift, ohne zu sehr ins Detail zu gehen und den Anime anspruchsvoller zu machen als er ist. Dies gefällt mir sehr gut, obwohl die Ausführungen oft sehr personal aus Sicht von Aoki präsentiert werden. Aber das stört hier wenig.
Ebenso sieht man sich einer wahnsinnig intensiven Erfahrung von Mord gegenüber. Man erlebt Verbrechen nicht mehr aus Third-Person-Sicht sondern aus der Ego-Perspektive, die zwar durch die Bildschirmdarstellung eine gewisse Distanz vorgaukelt, aber trotzdem jedes Mal total intensiv wird. Dafür verlangt der Anime vom Zuschauer, dass dieser voll in die Materie eintaucht und sich mitfühlend verhält. Und gerade hier sehe ich einen Schwachpunkt: wer nicht voll hinter der Idee steht und einfach nur "runterguckt", der wird hier vermutlich nicht glücklich werden. Dies kann die schlechte Bewertung begründen.
Die Morde aus der Ego-Perspektive machen Himitsu gleichzeitig auch wahnsinnig brutal und rücksichtslos. Viele Anime schwenken weg, doch hier sieht man wirklich in ganzer ungeschönter Länge den letzten Moment eines Menschen oder die kranken Machenschaffen eines Mörders. Und nicht nur die Figuren müssen manchmal echt schlucken oder sich wegdrehen. Himitsu schafft es dadurch, sich dem Thema Mord auf eine ganz andere Weise zu nähern.
Kommen wir zu einem weiteren Schwachpunkt, der Zeichenstil. Nicht, dass er schlecht wäre, ganz im Gegenteil, aber die Animation hat diesen gewissen weiblichen Touch und gerade Maki wird in manchen Szenen optisch zu weiblich dargestellt. Alles weniger dramatisch als es sich anhört, dennoch geriet ich einen Konflikt: zum Einen eine weibliche Animation, zum Anderen ein absolut männliches Thema und eine männliche, brutale Herangehensweise - an welches Publikum richtet sich diese Serie?!
Auch am sehr episodischen Aufbau und der dadurch schwankenden Qualität können sich viele stören. Ich verstehe diese Kritik nicht, weil es sich ja um einen Krimi handelt, doch die schwankende Qualität fällt schon auf. Ein Fall, der auf 3 Folgen aufgebläht war, hätte man auch in 2 Folgen abhandeln können, oder viele Fälle haben aufgrund mangelnder Ideen ein ähnliches Motiv. Die offizielle Haupthandlung wird zwar mehrmals angedeutet, kommt jedoch erst in den letzten 4 Folgen zum Zug. Dieser Zug war jedoch wahnsinnig gut!!
zu den Charakteren
In anderen Kommentaren heißt es, die Charaktere sind zu oberflächlich, und in gewisser Weise liegt hier ein weiterer Schwachpunkt. Oberflächliche Charaktere gibt es in anderen Animes zu Hauf, das ist weniger das Problem, hier stört es jedoch mehr, da die ethische Diskussion ausschließlich aus Aokis Sicht geführt wird und somit ein subjektives, einseitiges Bild projeziert wird. Argumentationspartner tauchen somit nur im aktiven Gespräch auf, was für diese Thematik zu schwach ist.
Durch die subjektive Auslegung der Gehirne wirken sowohl Opfer, Beteiligte als auch Täter in einer gewissen anderen Weise sehr tiefgründig und interessant - dies gefällt mir sehr gut!
Ansonsten sieht man sich den klassischen Charakteren eines Krimi gegenüber. Mit dem Ermittlerteam braucht man seine paar Folgen um warm zu werden, Hauptfigur Aoki ist bis zum Schluss nicht unbedingt ein Sympathiebolzen und ist manchmal zu kindisch, und Makis Charakter bricht leider zu sehr mit sich selbst. Nichts desto trotz kommt man nach einiger Zeit gut mit allen zurecht und möchte keinen mehr missen.
Dennoch muss ich auf einen zwar subjektiven, für mich aber doch sehr störenden Faktor hinweisen: in der japanischen Version synchronisieren Daisuke Namikawa (Aoki) und Tomokazu Seki (Maki) die Hauptrollen - ich persönlich hätte die Rollen getauscht. Seki-san bekommt mit seiner Stimme für typische Bürohengste das junge Genie, und Namikawa-san bekommt mit seiner Stimme für typische Genies den Bürohengst - das hat mich wirklich sehr lange beim Gucken gestört.
Fazit
Himitsu: The Revelation ist vom Aufbau ein klassischer, anspruchsvoller Krimi, der sich durch eine kreative Grundidee und einer innovativen Auseinandersetzung mit dem Tod deutlich von anderen Krimis abheben kann und eine spannende Handlung präsentiert. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass sich der Zuschauer voll und ganz auf die Thematik einlässt, weshalb ich den Anime nur denen empfehle, die wirklich Lust auf das Genre haben. Allen anderen rate ich, sich den Anime im Hinterkopf zu halten und bei entsprechender Lust und Motivation einfach darauf zurück zu kommen.
Und immer dran denken: nur weil 20 Anderen der Anime nicht gefällt, muss das noch lange nicht heißen, dass euch der Anime nicht gefällt^^
Beitrag wurde zuletzt am 16.10.2021 11:37 geändert.
Kommentare
Einfach sehenswert!