Diese fünfteilige OVA, die als älteste Animeadaption am Beginn des »Goddess«-Franchises steht, zeigt sich erstaunlich frisch und unterhaltsam. Obwohl sie bereits rund 3 Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Das liegt hauptsächlich an einigen kleinen, feinen Eigenheiten, die sie von anderen RomComs mit ähnlicher Konstellation abhebt.
Aber natürlich bleiben noch genug Zutaten übrig, die nach bewährtem Rezept zu etwas vermatscht werden, das den Zuschauer eigentlich in die Flucht schlagen müsste, der jedoch, so er schon ein paar Dutzend ähnlich gestrickter RomComs konsumiert hat, mittlerweile genug stoisches Durchhaltevermögen besitzt, um dieses fiesen Angriff mit beliebtem und geläufigem Standardvokabular auszuhalten.
Warum die Heldin "Belldandy" heißt (ja, ich sehe
eher in ihr die Hauptfigur als in
Keiichi), bleibt etwas schleierhaft, aber für Japan zählt ja eh: Hauptsache exotisch. Und Exotik bedeutet hier: Nordische Mythologie
[WP]. Das war's dann aber auch schon mit
(einer einigermaßen konsistenten) Exotik, denn das, was die Göttinnen da anhaben, scheint aus dem nächsten Fantasy-Shop zu stammen. Sonderlich nordisch sieht das jedenfalls nicht aus.
Klar und sauber strukturiert gibt sich der Aufbau der Serie. Einer Einführung in das Setting, also der "Vorstellung der Welt" folgt die Exposition von Belldandys
Schwestern Urd (große Schwester, 2. Episode) und
Skuld (kleine Schwester, 3. Episode). Urd ist eine Art sprechender Bikini und platzt fast vor Erotik; Skuld gibt das übliche ADHS-Schwesterchen, ist Imouto-typisch überdreht und immer am Rand von
tsundere. Aber trotzdem süß zum Dahinschmelzen. Was soll's, Skuld steht für "Zukunft", die darf das also. Soviel Anime-Standard muss schon sein, man will ja das Publikum nicht überfordern …
Weil das aber noch nicht hinreicht, hat der gute Keiichi noch eine leibliche Imouto ähnlichen Schlages, und so kann die Comedy dann losgehen. In erster Linie Comedy, denn von "Romantik" spürt man eher wenig; die
Rom ist meist dazu da, von der
Com erschlagen und außer Kraft gesetzt zu werden. Aber auch das kennt man zur Genüge. Sobald nur genug Nebenfiguren eingebaut sind (siehe "Aoi yori Aoshi"), ist eine Entwicklung in diese Richtung praktisch unausweichlich.
Mit der 4. Folge wird, ganz klassisch, das Drama entwickelt, das in der letzten zu einem groß angelegten Finale führt. Dieses ist nicht nur eine knappe Viertelstunde länger als die anderen Episoden, man nimmt sich auch genügend Zeit, um die Schläge des Schicksals und die Auswirkungen auf die Gefühlswelt der Handelnden sorgfältig auszubreiten, ihnen Raum zu geben und den Zuschauer teilhaben zu lassen an den emotionalen Wechselbädern. Doch nie so, daß das Drama in schicksalhafte Tragik abgleitet.
Hier offenbart sich auch deutlich der "Anime-only"-Charakter dieser Episode, denn es werden Rückgriffe auf die Kindheit der beiden Protagonisten unternommen und die fast schon üblichen Kindheitsversprechen thematisiert. Dabei gelingt es, den aktuellen Ablauf der Ereignisse derart im Unklaren zu lassen, daß man erstmal haufenweise Plotholes wittert, die sich aber am Ende der Folge in Wohlgefallen auflösen. Die meisten jedenfalls. Der Zuschauer ist also durchaus aufgefordert, wach und bei der Sache zu bleiben.
Das Personal ist überschaubar. Es gibt den frischgebackenen Studenten Keiichi samt seiner Schwester, die überall die Nase reinsteckt, wo sie nichts verloren hat, dann die drei göttlichen Schwestern und schließlich auch die Idioten vom Motorsportclub, dem auch Keiichi angehört. Die restlichen Personen, die sonst noch vorkommen, kann man an einer Schreinermeisterhand abzählen (3 Finger). Es sagt viel über den Charakter dieser OVA aus, daß es keinen wirklichen Antagonisten gibt; und das, was sich als solcher benimmt, könnte man bestenfalls als
Kontrahenten bezeichnen.
Anfangs habe ich frech behauptet, daß der Anime einiges anders macht als viele seiner Genregenossen. Viel ist es eigentlich nicht, aber dieses Wenige ist bezeichnend und prägt die Atmosphäre dieser OVA:
Stimmungsvoll unscharf und verschwommen wird man in die elysischen Gefilde eingeführt, der Welt von Belldandy. Nach kurzer Zeit wechselt die Szene in das bescheidene neue Heim von Keiichi, und da wird der Zuschauer nicht nur mit eigentümlichen
Gerätschaften konfrontiert, Vintage vom feinsten, er bemerkt auch hier schon (wenn er nicht grade total pennt), daß sehr viel Sorgfalt auf natürliche, stimmige Bewegungsabläufe gelegt worden ist. Auch sonst gibt man sich vergleichsweise geerdet, jedenfalls für Comedy-Verhältnisse. Und viel von dem, was anderswo Anlass zu hemmungslosem Übertreiben gibt, ist hier recht dezent gelöst, sogar beim animetypischen Ecchi-Nasenbluten. Selbst so manche emotionsgeladene Geste wie das Beben der Augen und das tränenunterdrückende Bibbern wird eher zurückhaltend wiedergegeben.
In all das fügt sich auch die Musik hervorragend ein, gibt sich angenehm natürlich wie in dem schönen, locker-flockigen Song, den man als Opening gewählt hat, und der den Hörer durch vertraute Harmoniefolgen trägt. Als sich ein dramatischer Umschwung ankündigt, greift man natürlich auch beherzt zu epischen Orgelklängen, in diesem Falle der Beginn von Bachs Fantasie und Fuge g-moll, BWV 542
[WP].
Heitere und angenehm normal gehaltene Momente wechseln sich ab mit altvertrauten Anime-Topoi, und manchmal werden einem Dinge vorgesetzt, die enorm Facepalm-trächtig sind:
- Skuld und ihre Hasenspinnenjagd zum Beispiel. Angeblich sollen das "Programm-Bugs" sein, und ich vermute, die rustikale Bekämpfungsmethode hat noch heute in der IT Bestand.
- Oder die Lichtsignale gen Himmel. Ich find's ja immer lustig, wenn ein solcher Beam sich geradlinig himmelwärts bewegt. Lichtgeschwindigkeit funktioniert meiner Erinnerung nach etwas anders.
- Last but not least ist es auch nicht besonders vorbildhaft zu zeigen, daß der gute Keiichi gutgläubig ein Fläschchen fragwürdigen Inhalts von Urd annimmt. Und sich das Zeug leichtfertig hinter die Binde kippt. Uns jedenfalls hat man damals als Kind schon frühzeitig eingebimst, nichts von Fremden anzunehmen. Also: klarer Fall von "selber schuld".
Macht aber nix, denn belohnt wird der hartgeprüfte Zuschauer, der mit
nahezu allen Standardsituationen einer Strandfolge zu kämpfen hat, mit dem vielleicht
unspektakulärsten Kuss der Animegeschichte. Aber auch dem wirkungsvollsten.
Am Ende erfreut die Serie durch eine anständige, harmonische und gut erzählte Geschichte mit einem schönem, wenngleich etwas zu idealistischem Ende. Diese Story bleibt vor allem dadurch in schöner Erinnerung, was sie alles
nicht ist und daß sie die Komik eben
nicht ausreizt bis zum Anschlag. So bleibt bei dieser RomCom sowohl die
Com als auch die
Rom einigermaßen genießbar. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten natürlich.
Beitrag wurde zuletzt am 20.04.2024 23:59 geändert.
Kommentare
!!!Ein Muss für alle Oh! My Goddess Fan's !!!