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Idol-Anime sind ein Genre, mit dem meine Berührungspunkte bislang eher spärlich ausgefallen sind. Nachdem ich AKB0048 sehr gemocht habe, war ich von der uninspirierten Waifu-Dauerwerbesendung Love Live! so enttäuscht, dass ich das Thema zunächst einige Jahre liegen gelassen habe.
Mit dem letztjährigen Selection Project, das mich trotz einiger spürbarer Probleme im Script überzeugen konnte, habe ich jedoch meinen Frieden mit dem Genre gefunden und traue ihm das Potenzial zu einer kritischen Betrachtung der Entertainment-Industrie und Schönheitsidealen sowie spannende Coming-of-Age-Geschichten zu.
22/7 war vor einigen Jahren das nächste große Ding von Yasushi Akimoto - Kopf hinter der weltbekannten Idol-Fabrik AKB48, was der Serie für mich zunächst einen sauren moralischen Beigeschmack bringt, ist AKB doch für die systematische Ausbeutung teils minderjähriger Mädchen bekannt. Das hat aber natürlich nichts mit der Leistung des Anime-Produktionsteams zu tun, also schauen wir mal, ob 22/7 als Serie überzeugen kann:
Der Anime beginnt relativ genreuntypisch: Anstatt schon von Kindesbeinen an dem Traum des Idoldaseins nachzueifern, wird unsere Protagonistin Miu durch Zufall als Teil des Projekts 22/7 ausgewählt und ist ob ihrer Sozialphobie alles andere als begeistert.
Anstatt also unsere aufgedrehte cutesy-Protagonistin zu sein, pflegt sie eine eher pessimistische Lebenseinstellung, die sich in ihrem die ersten paar Folgen umspannenden Arc in eine Art Stoizismus verwandelt, der sie dann doch dazu treibt, sich der Herausforderung einer Bühnenkarriere zu stellen.
Damit ist Miu der mit Abstand interessanteste und vielschichtigste Charakter im Pool, denn gerade weil sie quasi das exakte Gegenteil eines typischen Idol-Hauptcharakters ist, wird ihr Kampf gegen die Ansprüche des Idoldaseins und das Über-ihren-Schatten-springen so greifbar und interessant.
Auch schlägt der Anime in ihrem Arc gesellschaftskritische Töne zur ständig präsenten Oberflächlichkeit der Gesellschaft an, die sich letzten Endes nicht nur in Vorurteilen im Alltag, sondern auch in der Medienwelt und der Idol-Industrie widerspiegelt. Nach dem Motto "Wenn du es nicht bezwingen kannst, mach es dir zunutze" kämpft Miu im Kontext ihrer widerwilligen Karriere gegen ihre Schwächen und gerät dadurch auch mit denjenigen in Konflikt, die die Chance zur Idol-Karriere mit Stolz ergreifen und darin mehr als eine Gelegenheit zum schnellen Geld durch oberflächliche Qualitäten sehen.
Schade nur, dass sowohl dieses dramatische Potenzial als auch dieser Grad der Charaktertiefe nach dem ersten Arc nicht mehr weitergeführt wird.
Als wäre es ein anderer Anime, schaltet 22/7 seinen Anspruch mehrere Gänge runter und beginnt nun, in jeder Episode ein anderes Mädchen aus der Truppe vorzustellen.
Der Aufbau ist dabei stets derselbe: 22/7 bekommt irgendeine Aufgabe, die eines der Mädchen dazu bringt, ihre Vergangenheit Revue passieren zu lassen und daraus eine Lehre zu ziehen, die ihr in der Gegenwart bei der Bewältigung der Situation hilft.
Dabei wird natürlich jedes Idol mit einer tragischen Backstory aus dem "Großen 1x1 der dramatischen Geschichten" ausgestattet: Von der verstorbenen Kindheitsfreundin über die große Familie mit kleinen Mitteln, die zu Hause auf sie wartet bis hin zum überarbeiteten alleinerziehenden Vater - alle Geschichten haben in mir in "Das hab ich doch irgendwo schon mal gesehen"-Gefühl geweckt und sind 100% vorhersehbar.
Auch als Charakterisierung der Mädchen taugen sie eher wenig, denn deren Persönlichkeit besteht meistens nur aus einem einzigen Trait - ein Trait, der zwar im Laufe der Backstory herausgearbeitet wird, aber wesentlich oberflächlicher ausfällt als Mius ausgearbeitete Weltanschauung.
Einen besonders bitteren Nachgeschmack hatte hier vor allem Reikas Folge, in der das Thema Sexualisierung von Frauen (und insbesondere Idols) aus einer (meiner Meinung nach) völlig falschen und nahezu misogynen Perspektive angegangen wird.
Ohne viel spoilern zu wollen, möchte ich betonen, dass sich groomen zu lassen und trotz Scham und Abscheu seinen Körper zur Befriedigung männlicher Fans zur Schau zu stellen hier als großartige Charakterentwicklung nach dem Motto "Endlich stellt die Alte sich nicht mehr so an!" dargestellt wird.
Es wird versucht, sowohl den Figuren als auch dem Zuschauer zu verklickern, dass persönliche Grenzen eben keine Rolle stehen und Frau sich der gesellschaftlichen Erwartung an Schönheit und Sexyness zu beugen hat.
Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Autor Reiji Miyama hier wirklich misogyne Botschaften verbreiten wollte und unterstelle einfach mal, dass die Episode den stets präsenten Aspekt der Sexualisierung in der Idol-Industrie mit einer Body-Positivity-artigen Botschaft thematisieren wollte, im Gegensatz zu einem ganz ähnlichen Arc in Selection Project hier aber voll am Ziel vorbeigesemmelt ist.
Ohnehin wirken einige Elemente des Animes ziemlich makaber, wenn man sich die tatsächlichen Probleme der Idol-Anime vor Augen führt: Zum Beispiel das ungewöhnlich düstere Opening (und zugleich, klimatisch sehr unpassend, Inhalt des finalen Konzerts) dessen Text das Thema Depression mit Implikationen von Selbstmord behandelt. Ziemlich zynisch in einer Branche, die oft minderjährige Mädchen durch brutale Arbeitsbedingungen körperlich und geistig an ihre Grenzen und damit nicht nur einmal in den Suizid getrieben hat.
Ein Text darüber, dass einfach alles viel zu hart wird und Sätze wie "Ich kann einfach nicht mehr" sind als Lyric für ein Idol-Anime-Opening da schon fast boshaft zynisch, da die Serie dieses Thema ansonsten in keiner Form kritisch verarbeitet.
Im letzten Abschnitt der Story, der die letzten paar Folgen umspannt, fällt der Anime dann schließlich narrativ völlig in sich zusammen und präsentiert einen an den Haaren herbeigezogenen Plottwist nach dem nächsten, natürlich ohne auch nur einen davon zuvor glaubwürdig vorzubereiten.
Vor allem die Finalszene ist so dermaßen drüber und gewollt, dass ich mich frage, ob man hier bewusst das Trashlevel auf ein Maximum schrauben wollte oder einfach völlig vor der Aufgabe, eine nachvollziehbare Auflösung der Geschichte zu finden kapituliert hat.
Inhaltlich ist 22/7 also ein enormer Mischteller, oder eher ein immer schlechter werdendes 3-Gänge-Menü. Der Anfang mit seiner dichten Atmosphäre, vielschichtiger Charakterisierung und ausgefeilter Dramatik wirkt fast schon, als sei er versehentlich neben dem Trashfest der letzten Episoden und der Aneinanderreihung generischer Anime-Dramen in der Mitte entstanden.
Dieser Verfall ist auch gut in der Optik des Animes zu beobachten, denn während Studio A-1 Pictures in den ersten Episoden noch durch detaillierte Hintergründe und runde Animationen glänzt, wird deutlich, dass man sich zur damaligen Zeit eher auf das parallel produzierte SAO: War of Underworld konzentrierte.
Im Finale ist fast nichts mehr onmodel und die Animation glänzt lediglich durch ihre Abwesenheit, die Geschichte wird fast nur noch durch völlig kaputte Standbilder erzählt - schade um die wirklich hübschen Charakterdesigns.
Fazit
22/7 lässt sich sowohl inhaltlich als auch qualitativ in drei Abschnitte unterteilen: Den ziemlich guten Anfang mit dem Miu-Arc (8/10), einem ziemlich generischen, aber durch die gute Inszenierung immerhin unterhaltsamem Mittelteil (5/10) und dem völlig wirschen und hingerotzten Ende (1/10.
Interessante Ideen wie die Gesellschaftskritik oder Mius Kampf gegen ihre Sozialphobie werden nach wenigen Folgen völlig über Bord geworfen und durch typischen Waifu-Bait mit teils problematischem Beigeschmack ersetzt.
Eigentlich alle Ideen, die der Anime hat, sowohl die Spannungen in einer Retorten-Idolgruppe als auch Themen wie Body Positivity, wurden in Selection Project wesentlich souveräner umgesetzt.
Wer niedliche Waifu-Momente sucht oder generell für das Idolthema brennt, ist mit 22/7 ganz ordentlich beraten. Wer sich aber Abwechslung oder einen geschmeidigen Einstieg in der Genre sucht ist anderswo besser aufgehoben.
Mit dem letztjährigen Selection Project, das mich trotz einiger spürbarer Probleme im Script überzeugen konnte, habe ich jedoch meinen Frieden mit dem Genre gefunden und traue ihm das Potenzial zu einer kritischen Betrachtung der Entertainment-Industrie und Schönheitsidealen sowie spannende Coming-of-Age-Geschichten zu.
22/7 war vor einigen Jahren das nächste große Ding von Yasushi Akimoto - Kopf hinter der weltbekannten Idol-Fabrik AKB48, was der Serie für mich zunächst einen sauren moralischen Beigeschmack bringt, ist AKB doch für die systematische Ausbeutung teils minderjähriger Mädchen bekannt. Das hat aber natürlich nichts mit der Leistung des Anime-Produktionsteams zu tun, also schauen wir mal, ob 22/7 als Serie überzeugen kann:
Der Anime beginnt relativ genreuntypisch: Anstatt schon von Kindesbeinen an dem Traum des Idoldaseins nachzueifern, wird unsere Protagonistin Miu durch Zufall als Teil des Projekts 22/7 ausgewählt und ist ob ihrer Sozialphobie alles andere als begeistert.
Anstatt also unsere aufgedrehte cutesy-Protagonistin zu sein, pflegt sie eine eher pessimistische Lebenseinstellung, die sich in ihrem die ersten paar Folgen umspannenden Arc in eine Art Stoizismus verwandelt, der sie dann doch dazu treibt, sich der Herausforderung einer Bühnenkarriere zu stellen.
Damit ist Miu der mit Abstand interessanteste und vielschichtigste Charakter im Pool, denn gerade weil sie quasi das exakte Gegenteil eines typischen Idol-Hauptcharakters ist, wird ihr Kampf gegen die Ansprüche des Idoldaseins und das Über-ihren-Schatten-springen so greifbar und interessant.
Auch schlägt der Anime in ihrem Arc gesellschaftskritische Töne zur ständig präsenten Oberflächlichkeit der Gesellschaft an, die sich letzten Endes nicht nur in Vorurteilen im Alltag, sondern auch in der Medienwelt und der Idol-Industrie widerspiegelt. Nach dem Motto "Wenn du es nicht bezwingen kannst, mach es dir zunutze" kämpft Miu im Kontext ihrer widerwilligen Karriere gegen ihre Schwächen und gerät dadurch auch mit denjenigen in Konflikt, die die Chance zur Idol-Karriere mit Stolz ergreifen und darin mehr als eine Gelegenheit zum schnellen Geld durch oberflächliche Qualitäten sehen.
Schade nur, dass sowohl dieses dramatische Potenzial als auch dieser Grad der Charaktertiefe nach dem ersten Arc nicht mehr weitergeführt wird.
Als wäre es ein anderer Anime, schaltet 22/7 seinen Anspruch mehrere Gänge runter und beginnt nun, in jeder Episode ein anderes Mädchen aus der Truppe vorzustellen.
Der Aufbau ist dabei stets derselbe: 22/7 bekommt irgendeine Aufgabe, die eines der Mädchen dazu bringt, ihre Vergangenheit Revue passieren zu lassen und daraus eine Lehre zu ziehen, die ihr in der Gegenwart bei der Bewältigung der Situation hilft.
Dabei wird natürlich jedes Idol mit einer tragischen Backstory aus dem "Großen 1x1 der dramatischen Geschichten" ausgestattet: Von der verstorbenen Kindheitsfreundin über die große Familie mit kleinen Mitteln, die zu Hause auf sie wartet bis hin zum überarbeiteten alleinerziehenden Vater - alle Geschichten haben in mir in "Das hab ich doch irgendwo schon mal gesehen"-Gefühl geweckt und sind 100% vorhersehbar.
Auch als Charakterisierung der Mädchen taugen sie eher wenig, denn deren Persönlichkeit besteht meistens nur aus einem einzigen Trait - ein Trait, der zwar im Laufe der Backstory herausgearbeitet wird, aber wesentlich oberflächlicher ausfällt als Mius ausgearbeitete Weltanschauung.
Einen besonders bitteren Nachgeschmack hatte hier vor allem Reikas Folge, in der das Thema Sexualisierung von Frauen (und insbesondere Idols) aus einer (meiner Meinung nach) völlig falschen und nahezu misogynen Perspektive angegangen wird.
Ohne viel spoilern zu wollen, möchte ich betonen, dass sich groomen zu lassen und trotz Scham und Abscheu seinen Körper zur Befriedigung männlicher Fans zur Schau zu stellen hier als großartige Charakterentwicklung nach dem Motto "Endlich stellt die Alte sich nicht mehr so an!" dargestellt wird.
Es wird versucht, sowohl den Figuren als auch dem Zuschauer zu verklickern, dass persönliche Grenzen eben keine Rolle stehen und Frau sich der gesellschaftlichen Erwartung an Schönheit und Sexyness zu beugen hat.
Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Autor Reiji Miyama hier wirklich misogyne Botschaften verbreiten wollte und unterstelle einfach mal, dass die Episode den stets präsenten Aspekt der Sexualisierung in der Idol-Industrie mit einer Body-Positivity-artigen Botschaft thematisieren wollte, im Gegensatz zu einem ganz ähnlichen Arc in Selection Project hier aber voll am Ziel vorbeigesemmelt ist.
Ohnehin wirken einige Elemente des Animes ziemlich makaber, wenn man sich die tatsächlichen Probleme der Idol-Anime vor Augen führt: Zum Beispiel das ungewöhnlich düstere Opening (und zugleich, klimatisch sehr unpassend, Inhalt des finalen Konzerts) dessen Text das Thema Depression mit Implikationen von Selbstmord behandelt. Ziemlich zynisch in einer Branche, die oft minderjährige Mädchen durch brutale Arbeitsbedingungen körperlich und geistig an ihre Grenzen und damit nicht nur einmal in den Suizid getrieben hat.
Ein Text darüber, dass einfach alles viel zu hart wird und Sätze wie "Ich kann einfach nicht mehr" sind als Lyric für ein Idol-Anime-Opening da schon fast boshaft zynisch, da die Serie dieses Thema ansonsten in keiner Form kritisch verarbeitet.
Im letzten Abschnitt der Story, der die letzten paar Folgen umspannt, fällt der Anime dann schließlich narrativ völlig in sich zusammen und präsentiert einen an den Haaren herbeigezogenen Plottwist nach dem nächsten, natürlich ohne auch nur einen davon zuvor glaubwürdig vorzubereiten.
Vor allem die Finalszene ist so dermaßen drüber und gewollt, dass ich mich frage, ob man hier bewusst das Trashlevel auf ein Maximum schrauben wollte oder einfach völlig vor der Aufgabe, eine nachvollziehbare Auflösung der Geschichte zu finden kapituliert hat.
Inhaltlich ist 22/7 also ein enormer Mischteller, oder eher ein immer schlechter werdendes 3-Gänge-Menü. Der Anfang mit seiner dichten Atmosphäre, vielschichtiger Charakterisierung und ausgefeilter Dramatik wirkt fast schon, als sei er versehentlich neben dem Trashfest der letzten Episoden und der Aneinanderreihung generischer Anime-Dramen in der Mitte entstanden.
Dieser Verfall ist auch gut in der Optik des Animes zu beobachten, denn während Studio A-1 Pictures in den ersten Episoden noch durch detaillierte Hintergründe und runde Animationen glänzt, wird deutlich, dass man sich zur damaligen Zeit eher auf das parallel produzierte SAO: War of Underworld konzentrierte.
Im Finale ist fast nichts mehr onmodel und die Animation glänzt lediglich durch ihre Abwesenheit, die Geschichte wird fast nur noch durch völlig kaputte Standbilder erzählt - schade um die wirklich hübschen Charakterdesigns.
Fazit
22/7 lässt sich sowohl inhaltlich als auch qualitativ in drei Abschnitte unterteilen: Den ziemlich guten Anfang mit dem Miu-Arc (8/10), einem ziemlich generischen, aber durch die gute Inszenierung immerhin unterhaltsamem Mittelteil (5/10) und dem völlig wirschen und hingerotzten Ende (1/10.
Interessante Ideen wie die Gesellschaftskritik oder Mius Kampf gegen ihre Sozialphobie werden nach wenigen Folgen völlig über Bord geworfen und durch typischen Waifu-Bait mit teils problematischem Beigeschmack ersetzt.
Eigentlich alle Ideen, die der Anime hat, sowohl die Spannungen in einer Retorten-Idolgruppe als auch Themen wie Body Positivity, wurden in Selection Project wesentlich souveräner umgesetzt.
Wer niedliche Waifu-Momente sucht oder generell für das Idolthema brennt, ist mit 22/7 ganz ordentlich beraten. Wer sich aber Abwechslung oder einen geschmeidigen Einstieg in der Genre sucht ist anderswo besser aufgehoben.
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