AsaneRedakteur
#1In "Hakubo" vereinen sich, wie der Titel (zu deutsch "Abenddämmerung") vermuten lässt, Elemente von Slice of Life, Romanze und Iyashikei. Eigentlich könnte man daraus ein stimmiges, überzeugendes und in ruhigen Bahnen verlaufendes Liebesdrama zaubern, das einen mit seligem Lächeln zurücklässt. Aber Pustekuchen. Dieser Film ist weder Fisch noch Fleisch.
Man könnte zu der Ansicht gelangen, Yutaka Yamamoto, der das fast im Alleingang durchgezogen hat, konzentriere sich darauf, möglichst nichts falsch zu machen - und vermag es daher nicht, seinem Werk Leben einzuhauchen.
Und zu Anfang ist man noch froh und dankbar, dass der Film die üblichen Klischees meidet, und man erlebt eine prächtige Kulisse der Natur, aber auch der Stadtansichten von Iwaki, wo das ganze angesiedelt ist. Die Charaktere sind erstaunlich normal und geerdet, und auch wenn auf anderen Sites über das Charakterdesign hergezogen wird, kann ich dem nicht so ganz folgen; da ist man beispielsweise von Shinkai ganz anderes gewohnt.
Nun, vielleicht zu normal. Die vier Mädchen vom Musikclub, die ein Streichquartett bilden und zum Schulfest ausgerechnet eins der schwierigsten Werke von Beethoven aufführen wollen, verhalten sich schon halbwegs altersgerecht, jedenfalls nicht so überzeichnet, wie man das aus so manchen Schulanimes kennt. Selbst der Cast aus Hibike wirkt dagegen wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Mit Ausnahme von Hii-chan, die wohl nur deswegen den überdrehten Klassenclown gibt, weil sie als comic relief herhalten muss. Jungen kommen in dieser Veranstaltung zwar auch vor, sind aber im Grunde wandelnde Schlaftabletten.
Was die akkurate Wiedergabe im Spiel der Instrumente angeht, ist man hier auf ähnlich hohem Niveau wie in Hibike: bevor es überhaupt losgeht, nimmt man den Bogen und spannt ihn (ein wenig Kolophonium wäre allerdings kein Fehler gewesen), danach stimmt man erstmal das Instrument - und zwar unten am Feinstimmer; an den Stimmwirbeln erst, wenn gröbere Maßnahmen erforderlich sind. Also nix von wegen "auspacken und loslegen"!
Was in dieser Hinsicht auch überzeugt hat, war die akustische Präsentation. Man hat sich extra die Mühe gemacht, die etwas kippeligen Stellen beim cis-moll-Streichquartett entsprechend unsauber einspielen zu lassen. Blöderweise handelt man sich dann eine ziemlich große Diskrepanz zwischen laienhaftem Spiel und der perfekten Studioaufnahme von Profi-Musikern ein.
Außerhalb des Clublebens erwarten den Zuschauer sehr stimmungsvolle Naturbilder und detaillierte, fast fororealistische Stadtansichten. Vor denen auch die Charaktere nicht wie Fremdkörper herausstechen, sondern sich nahtlos einfügen. Natürlich wird auch hier CGI eingesetzt, vorwiegend bei Fließgewässern, aber man möchte auch dem Eindruck des Synthetischen einigermaßen entgehen, indem man dieser Technik das zu Perfekte nimmt, wenn man beispielsweise versucht, die Bewegung der Halme und Rispen der Reispflanzen durch Einfügen von leichtem Ruckeln zu brechen.
Man sieht also, der Anime tut einiges dafür, um realistisch zu wirken, ohne aufgesetzte Drama-Elemente zu verbauen. Warum dann dieser unbefriedigende Gesamteindruck?
Das liegt zum einen an den Charakteren. Gemessen an anderen Werken definieren sie sich dadurch, was sie nicht sein wollen. Aber was wollen sie stattdessen darstellen? Da wird's dann etwas schwierig. Zunächst mal fand ich sehr bemerkenswert, dass man darauf verzichtet, aus der Fukushima-Katastrophe heraus großes Drama zu inszenieren. Die Protagonisten sind durch Evakuierung entwurzelt worden, was sich aber zunächst nirgends niederschlägt. Wenn man aber auf Drama und dramaturgische Entwicklung verzichtet, wofür war dann diese seltsame Introduktion von Sachi gut, aus deren Perspektive der ganze Film erzählt wird und die ganz zu Anfang erklärt, unter welch seltsamen Umständen sie zur Musik gekommen ist? Dieses Motiv scheint im Verlauf keine Rolle mehr zu spielen und steht ähnlich verlassen da wie die Motivation des malenden Yuusuke, den Augenblick eines Lebensgefühls festhalten zu wollen in einer permanent gefährdet scheinenden Welt. Unterstrichen werden soll diese Disposition wohl durch die ebenso unmotiviert wirkende Traumpassage, aber irgendeine größere Wirkung hinterlässt das im Film nicht.
Blasse Charaktere bei Verzicht auf Drama sind nicht die besten Voraussetzungen für einen gelungenen Film. Blass bedeutet da keineswegs unsympathisch. Sachi ist ein durchwegs sympathischer Charakter, kann aber den Film nicht tragen. Auch wenn ihre inneren Monologe, in denen sie über Gott und die Welt reflektiert, wirklich goldig sind.
Zum anderen sind da noch die visuell berauschenden Hintergründe. Die bei Naturpanoramen einen stärkeren Eindruck hinterlassen als bei den fotorealistisch anmutenden Stadtansichten. Möglicherweise sind sie einen Tick zu fotorealistisch: Manchmal ist nicht klar, ob das hier echt ist oder gemalt; ob hier noch künstlerisch verfremdet ist oder es "real life"-Bilder sind und man nur die Brille mal wieder putzen müsste. Daher wirken etliche Hintergründe etwas steif und sachlich, geradezu synthetisch. Und die Gemälde von Yuusuke zeigen es deutlich: nicht die perfekte, detailgetreue Wiedergabe ist, die den Betrachter berührt und etwas in ihm auslöst, sondern die von einem subjektiven Blick geprägte Ansicht, die sich auf das Wesentliche beschränkt. Da hilft es dann auch nicht wirklich, dass man das alles mit klassisch angehauchter Musik mit Tendenzen zum Impressionismus(!) unterlegt.
So kommt es, dass die anfangs erwähnten Einzelteile Slice of Life, Romanze und Iyashikei einigermaßen unverbunden bleiben. Sollte es dem Autor des Films aber daran gelegen sein, in der Einsamkeit der Natur die Entwurzelung der Protagonisten zu spiegeln und dies dem Zuschauer erfahrbar zu machen - dann ist das irgendwie an mir vorbeigegangen.
Man könnte zu der Ansicht gelangen, Yutaka Yamamoto, der das fast im Alleingang durchgezogen hat, konzentriere sich darauf, möglichst nichts falsch zu machen - und vermag es daher nicht, seinem Werk Leben einzuhauchen.
Und zu Anfang ist man noch froh und dankbar, dass der Film die üblichen Klischees meidet, und man erlebt eine prächtige Kulisse der Natur, aber auch der Stadtansichten von Iwaki, wo das ganze angesiedelt ist. Die Charaktere sind erstaunlich normal und geerdet, und auch wenn auf anderen Sites über das Charakterdesign hergezogen wird, kann ich dem nicht so ganz folgen; da ist man beispielsweise von Shinkai ganz anderes gewohnt.
Nun, vielleicht zu normal. Die vier Mädchen vom Musikclub, die ein Streichquartett bilden und zum Schulfest ausgerechnet eins der schwierigsten Werke von Beethoven aufführen wollen, verhalten sich schon halbwegs altersgerecht, jedenfalls nicht so überzeichnet, wie man das aus so manchen Schulanimes kennt. Selbst der Cast aus Hibike wirkt dagegen wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Mit Ausnahme von Hii-chan, die wohl nur deswegen den überdrehten Klassenclown gibt, weil sie als comic relief herhalten muss. Jungen kommen in dieser Veranstaltung zwar auch vor, sind aber im Grunde wandelnde Schlaftabletten.
Was die akkurate Wiedergabe im Spiel der Instrumente angeht, ist man hier auf ähnlich hohem Niveau wie in Hibike: bevor es überhaupt losgeht, nimmt man den Bogen und spannt ihn (ein wenig Kolophonium wäre allerdings kein Fehler gewesen), danach stimmt man erstmal das Instrument - und zwar unten am Feinstimmer; an den Stimmwirbeln erst, wenn gröbere Maßnahmen erforderlich sind. Also nix von wegen "auspacken und loslegen"!
Was in dieser Hinsicht auch überzeugt hat, war die akustische Präsentation. Man hat sich extra die Mühe gemacht, die etwas kippeligen Stellen beim cis-moll-Streichquartett entsprechend unsauber einspielen zu lassen. Blöderweise handelt man sich dann eine ziemlich große Diskrepanz zwischen laienhaftem Spiel und der perfekten Studioaufnahme von Profi-Musikern ein.
Außerhalb des Clublebens erwarten den Zuschauer sehr stimmungsvolle Naturbilder und detaillierte, fast fororealistische Stadtansichten. Vor denen auch die Charaktere nicht wie Fremdkörper herausstechen, sondern sich nahtlos einfügen. Natürlich wird auch hier CGI eingesetzt, vorwiegend bei Fließgewässern, aber man möchte auch dem Eindruck des Synthetischen einigermaßen entgehen, indem man dieser Technik das zu Perfekte nimmt, wenn man beispielsweise versucht, die Bewegung der Halme und Rispen der Reispflanzen durch Einfügen von leichtem Ruckeln zu brechen.
Man sieht also, der Anime tut einiges dafür, um realistisch zu wirken, ohne aufgesetzte Drama-Elemente zu verbauen. Warum dann dieser unbefriedigende Gesamteindruck?
Das liegt zum einen an den Charakteren. Gemessen an anderen Werken definieren sie sich dadurch, was sie nicht sein wollen. Aber was wollen sie stattdessen darstellen? Da wird's dann etwas schwierig. Zunächst mal fand ich sehr bemerkenswert, dass man darauf verzichtet, aus der Fukushima-Katastrophe heraus großes Drama zu inszenieren. Die Protagonisten sind durch Evakuierung entwurzelt worden, was sich aber zunächst nirgends niederschlägt. Wenn man aber auf Drama und dramaturgische Entwicklung verzichtet, wofür war dann diese seltsame Introduktion von Sachi gut, aus deren Perspektive der ganze Film erzählt wird und die ganz zu Anfang erklärt, unter welch seltsamen Umständen sie zur Musik gekommen ist? Dieses Motiv scheint im Verlauf keine Rolle mehr zu spielen und steht ähnlich verlassen da wie die Motivation des malenden Yuusuke, den Augenblick eines Lebensgefühls festhalten zu wollen in einer permanent gefährdet scheinenden Welt. Unterstrichen werden soll diese Disposition wohl durch die ebenso unmotiviert wirkende Traumpassage, aber irgendeine größere Wirkung hinterlässt das im Film nicht.
Blasse Charaktere bei Verzicht auf Drama sind nicht die besten Voraussetzungen für einen gelungenen Film. Blass bedeutet da keineswegs unsympathisch. Sachi ist ein durchwegs sympathischer Charakter, kann aber den Film nicht tragen. Auch wenn ihre inneren Monologe, in denen sie über Gott und die Welt reflektiert, wirklich goldig sind.
Zum anderen sind da noch die visuell berauschenden Hintergründe. Die bei Naturpanoramen einen stärkeren Eindruck hinterlassen als bei den fotorealistisch anmutenden Stadtansichten. Möglicherweise sind sie einen Tick zu fotorealistisch: Manchmal ist nicht klar, ob das hier echt ist oder gemalt; ob hier noch künstlerisch verfremdet ist oder es "real life"-Bilder sind und man nur die Brille mal wieder putzen müsste. Daher wirken etliche Hintergründe etwas steif und sachlich, geradezu synthetisch. Und die Gemälde von Yuusuke zeigen es deutlich: nicht die perfekte, detailgetreue Wiedergabe ist, die den Betrachter berührt und etwas in ihm auslöst, sondern die von einem subjektiven Blick geprägte Ansicht, die sich auf das Wesentliche beschränkt. Da hilft es dann auch nicht wirklich, dass man das alles mit klassisch angehauchter Musik mit Tendenzen zum Impressionismus(!) unterlegt.
So kommt es, dass die anfangs erwähnten Einzelteile Slice of Life, Romanze und Iyashikei einigermaßen unverbunden bleiben. Sollte es dem Autor des Films aber daran gelegen sein, in der Einsamkeit der Natur die Entwurzelung der Protagonisten zu spiegeln und dies dem Zuschauer erfahrbar zu machen - dann ist das irgendwie an mir vorbeigegangen.
Beitrag wurde zuletzt am 29.09.2020 14:53 geändert.
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