Rumiko Takahashi, bekannt geworden durch RTL2-Klassiker* wie »
Inuyasha« oder »
Ranma ½«, hat natürlich noch viele weitere Werke in ihrer Vita stehen. Viele davon sind in sich abgeschlossene Kurzgeschichten, die in animierter Form ihren Weg in diese Kompilation gefunden haben. Doch wer auch hier viel Action und Fantasy erwartet, der wird nicht enttäuscht – nein, denn dafür sind die Geschichten zu gut –, sondern überrascht sein. All diese Elemente müssen nämlich dem schnöden Alltag weichen. Es werden Geschichten erzählt, die – zumindest in ihrer Grundprämisse – in ähnlicher Form im Wohnzimmer von Nachbarn X oder von Nachbarin Y stattfinden könnten, jedoch immer wieder mit Besonderheiten aufwarten, sodass keine Langeweile aufkommt. Nur drei der dreizehn Geschichten verlassen das Terrain der Normalität und machen einen Abstecher Richtung Fantasy. Inhaltlich geht es hier meist um die einfachsten, aber wichtigsten Dinge des Lebens: um die Familie und um die Liebe. Und um
Pinguine. Ja, hier gibt es auch Pinguine. Ich liebe diese watschelnden Frackträger einfach.
*Hach, das waren noch Zeiten. Da fühlt man sich irgendwie alt ...Um vielleicht etwas konkreter auf die Geschichte einzugehen, ohne allzu ausschweifend zu werden:
Episode 01: Die Geschichte
einer Familie, die eingewilligt hat, temporär auf ein Haustier aufzupassen, und einer
Frau in der Mietervereinigung, welche die Regeln der Hausordnung, in der auch ein Verbot gegen das Halten von Haustieren niedergeschrieben ist, strikt befolgt.
Diese Geschichte ist wohl der optimale Einstieg, um bereits nach der ersten Folge einen durchaus guten Eindruck von der Atmosphäre dieses Anime vermittelt zu bekommen. Die Rollen sind hier klar verteilt: zum einen die Tierliebhaber, zum anderen die Tierhasserin. Oder doch nicht …?
Episode 02: Die Geschichte einer
Besitzerin einer Zeremonienhalle und von zwei sich
liebenden Personen älteren Semesters, deren bedingungslose Liebe zueinander Ersterer dabei helfen, sich ihrer wahren Gefühle für ihren
Exmann im Klaren zu werden.
Hier ist 20 Minuten lang
love in the air – und zwar die schönen, nicht so schönen und auch verwirrenden Seiten dieser starken Emotion, welche auch die am logischsten denkenden Menschen im Griff hat wie sonst nur was.
Episode 03: Die Geschichte eines mit Familienproblemen konfrontierten
Mannes, der aufgrund eines Unfalls glaubt, 13 Jahre alt zu sein, und einer
Oberschülerin, die irgendwie in diesen Unfall verwickelt ist.
Eine der wohl skurrilsten Geschichten. Der Hauptcharakter steht mitten im Leben und ist zu boden- und zu anständig, um im Affekt aus seiner deprimierenden Situation zu flüchten. Aufgrund des Unfalls erschafft er jedoch unwissend und ungewollt eine Scheinwirklichkeit, wodurch ein Szenario des Eskapismus entsteht.
Episode 04: Die Geschichte von zwei sich gegenseitig
hassenden Frauen und einer weiteren
Frau, die zuerst nur beobachtet, sich danach aktiv am Geschehen beteiligt und letztendlich die ganze Wahrheit über die beiden Frauen herausfindet.
Nachdem besonders in der zweiten Folge das Thema »Liebe« so ausführlich behandelt wurde, widmet man sich hier jener Emotion, die konträr ist zu dem fluffigen Gefühl, das einem Flugzeuge im Bauch beschert: Hass. Nicht nur aufgrund der Auflösung vermittelt diese Geschichte die wohl traurigste Atmosphäre aller Folgen.
Episode 05: Die Geschichte
einer Familie, die alles verloren hat, und der
Tochter, die aufgrund des merkwürdigen Verhaltens ihrer Eltern glaubt, dass diese einen Familienselbstmord planen.
Diese Folge ist ebenso skurril wie Episode #3. Die Atmosphäre ist insofern einzigartig, als hier ein Mystery-Setting gleich einer »
Twilight Zone«-Folge kreiert wird. Der Zuseher wird bereits aufgrund der minimalistischen, aber dennoch nervenaufreibenden BGM in die richtige Stimmung gebracht, noch bevor dieser mit den Wahnvorstellungen der Tochter konfrontiert wird.
Episode 06: Die Geschichte eines tatkräftigen
Mannes, der seine Anstellung verloren hat und seine kranke
Frau auf ihrem Arbeitsplatz vertritt.
Was haben wir bisher gehabt? Liebe, Hass, Mystery … es fehlt noch ein bisschen Comedy – oder besser gesagt: sehr viel Comedy. Diese bekommt man hier.
Episode 07: Die Geschichte einer verstorbenen, alten
Frau, die von den Toten zurückgeholt und mit Zauberkräften ausgestattet wird, um das schreckliche Schicksal, das zwei
sich Liebenden widerfahren soll, abzuwenden.
Die erste Folge mit mehr als nur einer kleinen Prise Fantasy. Die Geschichte ist – zumindest im Vergleich zu den anderen Folgen – etwas verschachtelt, weshalb die Auflösung für den einen oder anderen durchaus überraschend sein könnte.
Episode 08: Die Geschichte einer herrschsüchtigen
Mieterin,
zweier Frauen, die sich gegen diese zur Wehr setzen, und einer weiteren
Frau, die zwischen den beiden Parteien steht und sich nicht im Klaren darüber ist, welche Konsequenzen ihr blühen, wenn sie sich gegen Erstere auflehnt.
Wie auch schon in der ersten Folge ist hier der »große, böse Antagonist« kein Monster, das die Weltherrschaft an sich reißen möchte, sondern ein einfaches Mitglied der Mietervereinigung. Und wie in der vierten Folge ist ein gewöhnlicher Wohnblock der Ort des Geschehens. Kann es sein, dass Takahashi des Öfteren Probleme mit ihren Nachbarn hatte? Jedenfalls strotzt diese Geschichte nur so vor Konflikten, die manchen Zusehern mit ähnlichen Problemen nicht ganz unbekannt sein dürften.
Episode 09: Die Geschichte einer verstorbenen
Frau, die aus unbekannten Gründen als
Geist im Diesseits verweilt, und ihres
Mannes, der die Annäherungsversuche seiner
Mitarbeiterin als Zeichen ihrer Liebe deutet und darin eine Chance auf eine neue Beziehung sieht.
Hier haben wir auch schon die zweite Fantasy-Folge. Das Konstrukt »älterer Mann, jüngere Frau« ist Stoff für viel Drama, welches man aber weder in dieser noch in den anderen Geschichten findet. Stattdessen bekommt man hier sympathisch-witzige Paarungen – sei es der Mann und seine Geisterfrau oder der Mann und die junge Dame, welcher er den Hof macht.
Episode 10: Die Geschichte eines
Missverständnisses zwischen zwei Ehepaaren, welches eines der beiden Paare an den Rand der Verzweiflung treibt.
Die Prämisse lässt ein Szenario erwarten, welches durchaus eintreten könnte. Doch auch hier möchte ich gerne das Wort »skurril« in den Mund (oder in die Finger?) nehmen, da der Ursprung dieses Missverständnisses keineswegs alltäglich ist. Die Geschichte ist amüsant und die Charaktere sind sympathisch, jedoch möchte ich die Sinnhaftigkeit mancher Taten der handelnden Personen doch ernsthaft infrage stellen.
Episode 11: Die Geschichte eines mehr unglücklich als glücklich verheirateten
Mannes, der auf einem Klassentreffen seine damalige
Herzensdame wiedersehen möchte.
Es ist schon auffällig, wie oft Geschichten über Menschen mit Eheproblemen vorkommen. Das ist keineswegs negativ gemeint, denn das sind alltägliche Probleme, welche die Geschichten greifbar machen, und mit den Charakteren, die sich in einer solchen Situation befinden, werden sich manche Zuseher – leider? – identifizieren können.
Episode 12: Die Geschichte einer von einem
Geist heimgesuchten
Frau, die von ihrer
Schwiegermutter für das Chaos, das in Wirklichkeit der Geist angerichtet hat, beschuldigt wird.
Fantasy-Story número tres. Ohne den Geist könnte man diese Folge auf die Geschichte vieler kleiner Missverständnisse zwischen Schwiegertochter und –mutter herunterbrechen.
Episode 13: Die Geschichte
einer Familie, die eingewilligt hat, temporär auf ein
Haustier aufzupassen (schon wieder), und eines
Mannes, der seine
Frau betrügt und dadurch ebenjener Familie ungewollt eine doppelte Last auferlegt.
Die letzte Folge hört sich wieder nach einer relativ gewöhnlichen Ausgangssituation an, doch die beiden Handlungsstränge fügen sich nicht zielgerichtet zusammen, weshalb man den Anime aufgrund dieser doch recht konfusen Umsetzung leider mit der wohl schwächsten Geschichte dieser Anthologie beenden muss.
Der Anime fährt schnurstracks die typische Takahashi-Schiene und macht zudem ein paar Abstecher in Mystery- und Slice-of-Life-Town. Doch sobald die abenteuerliche Fahrt durch dreizehn abwechslungsreiche Geschichten vorbei ist, hat man dennoch nicht das Gefühl, dass die Abstecher unnötig waren oder die Fahrt holprig war, denn am Ende hat man sein Ziel mit zufriedener Miene erreicht. Trotz der Sprünge von einem Genre zum anderen und von einer Stimmung zur anderen hat man hier ein homogenes Konstrukt vor sich. Erreicht wird das auch durch den charakteristischen und charismatischen Zeichenstil Takahashis, den man durchaus als
oldschool bezeichnen kann.
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